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"Yávië" von Elena Wöhlert (8c)

Ich schloss die Tür hinter mir und atmete mit geschlossenen Augen die kühle Abendluft ein. Heute war der letzte Herbsttag, das spürte ich, genau wie der Rest meines Volkes. Ich erkannte es daran wie die Luft roch und schmeckte.

Einen Augenblick verharrte ich in meiner Position, dann öffnete ich die Augen und blickte auf den Wald, der sich unterhalb der Anhöhe, auf der ich lebte, erstreckte.

Ich wohnte etwas entfernt von den anderen, in der Stadt war es mir einfach zu laut. Ich brauchte meine Ruhe, vor allem, wenn ich ein neues Lied schrieb. Das kam öfter vor, da ich Minnesängerin war. So gut wie alle meiner Kollegen lebten in der Stadt und fanden dort genug Inspiration für ihre Lieder. Für mich vollkommen unverständlich. Wie konnte man in diesem Trubel auch nur eine Strophe verfassen? Ich brauchte die Natur um mich herum, um ein Lied zu schreiben. In meinen Texten ging es sehr viel öfter um Pflanzen und Tiere, als um Elben. Natürlich schrieb ich auch Lieder über die alten Legenden, aber auch für diese brauchte ich die Natur als Inspiration.

Mein Blick wanderte hinauf in den klaren Himmel und auch der Mond stand schon über dem Horizont. Bald würde das Fest zur Verabschiedung des Herbstes beginnen. Ich konnte die Feuer schon förmlich vor mir sehen, hörte das fröhliche Lachen der Kinder, sah sie tanzen.
Und dann hörte ich eine Melodie. Ich erkannte sie nicht, also musste sie gerade eben meinem Geist entsprungen sein. Die Worte überkamen mich einfach.

 

Heut‘ Nacht im Feuerschein schließt sich der Kreis

Der Sommer neigt sich vor dem nahen Eis

Sein Atem treibt den Wind

Der letzte Tanz beginnt

Bevor der Wald sein Kleid zu Boden streift

 

Die Worte brannten sich in meinem Kopf ein, ich wollte sie auf gar keinen Fall wieder vergessen. Dies war das erste Lied, welches einfach aus dem Nichts kam, ohne, dass ich mir vorgenommen hatte eines zu schreiben.

 

Die Fackel leuchtet dir den Weg hinaus

Und mit dem Mondlicht steigt die Flammen auf

Geister der Waldesnacht

Die Feuer sind entfacht

Zeigt sich der Winter heut‘, so treibt ihn aus

 

Die Melodie und die Worte kamen wie von selbst. Ich begann zu singen und meine Stimme erhob sich in die klare Herbstluft. Herbst…

 

Yávië, Yávië hantëammë lyë

Yávië, Yávië sé i nárálë

Laitëammë síra l cemnë annar

Yávië, Yávië hrívë túla

 

Es war die alte Sprache der Elben in der ich da sang. Die Worte bedeuteten in etwa:

 

Herbst, Herbst, wir danken dir

Herbst, Herbst, im Feuerschein

Heute preisen wir die irdenen Gaben

Herbst, Herbst, der Winter naht

 

Ein Windstoß fuhr in meine Haare als ich den Mund schloss. Es war fast als würde die Natur mich auffordern weiter zu singen. Bei diesem Gedanken musste ich willkürlich lächeln.
Nein, das Lied war tatsächlich noch nicht fertig, doch ich würde zu spät zum Fest kommen, wenn ich jetzt nicht los ginge. Also würde sich die Natur wohl noch bis dahin gedulden müssen, denn dort würde ich das Lied selbstverständlich auch singen, und zwar bis zum Ende. Ich hatte keine Ahnung warum, aber ich wusste, dass ich es dort fertig singen konnte.

Die ganze Zeit hatte ich mich nicht von der Stelle gerührt. Ich schloss noch einmal kurz die Augen, um mich zu sammeln und nahm einen tiefen Atemzug der kühlen Abendluft. Dann ging ich lautlos wie eine Katze den Hügel hinunter und tauchte in den Herbstwald ein.