Klassenfahrt auf der Alexander von Humboldt II
Moin, Moin! – So fing der Brief an mit dem wir und bei dem Gewinnspiel für eine Klassenfahrt auf der Alexander von Humboldt 2 beworben haben. Allerdings hat bei dem Schreiben dieser Zeilen und auch danach niemand daran gedacht, dass genau wir diejenigen sein sollten, die die Reise auf der 3-Mast-Bark gewinnen sollten. Und auch unsere Klassenlehrerin Frau Schwerin hatte sich wohl nicht wirklich erhofft, dass wir die mehr oder weniger glücklichen Gewinner sein sollten…
Aber in der ersten Stunde nach den Ferien konnte sie uns dann doch einigermaßen erfreut die gute Nachricht überbringen, was bei uns natürlich eine riesige Begeisterung und viel Lärm auslöste, weil alle durcheinander riefen und sich freuten. Aber natürlich gab es schon zu dem Zeitpunkt viele Bedenken, wie wahrscheinlich auch noch die ganze Fahrt lang.
Am Abend vor der Fahrt ging es dann ans letzte Packen. Da es keinen Stauraum für Koffer auf dem Schiff gibt, musste alles in Taschen oder Seesäcke passen. Und oh Schreck, es passte zwar, aber nachher waren die Taschen bei den meisten so groß und schwer, dass es eine aufgeregte Unterhaltung bei Facebook gab. Viele meinten ihre Tasche wäre sowieso die größte und so wurde gewogen und der Rekord lag bei ganzen 20 kg!!! Allerdings mischten sich in das Gespräch auch einige Sätze wie: „Hilfe, Leute was nehmt ihr alles mit?! Meine Tasche ist total leicht!!!“
Unsere Sorgen waren jedoch alle vergessen, als wir am Morgen des 17. Septembers 2012 um kurz vor neun in Travemünde am Ostpreußenkai vollbepackt standen und viele von uns die Alex 2 zum ersten Mal sahen. Dort sahen wir auch zum ersten Mal die 12. Klasse von der Thomas-Mann-Schule, die mit uns fahren sollte. Nach langem Warten und einigen Verabschiedungen von den Eltern durften wir mit unserem ganzen Gepäck nun endlich an Bord. Dort wurden uns von dem Kapitän Rüdiger die wichtigsten Regeln erklärt, wie zum Beispiel, dass sich an Bord alle duzen und die Handys auf der Wache verboten sind. Dann wurde uns die komplette Stammcrew vorgestellt und wir wurden in die drei Wachen eingeteilt. Es gab die 0-4, die 4-8 und die 8-12 Wache. Diese Zahlen stehen für die Uhrzeiten, zwischen denen wir am Tag und in der Nacht nun 5 Tage lang arbeiten mussten. So eingeteilt wurden wir durch das Schiff geführt und konnten auch endlich unsere Kojen sehen. Die Größe der 4er Kojen gab unserer Begeisterung dann wohl doch einen kleinen Dämpfer, denn sie waren so eng und klein, dass man sich nicht zu 4. darin bewegen konnte, weshalb immer nur höchstens zwei aus einer Wache in einem Raum schlafen konnten. Es war jedoch ziemlich lustig in den kleinen aber gemütlichen Kojen. Auf dem Rundgang besichtigten wir außerdem noch die Messe, also den Raum in dem gegessen wurde und in dem wir uns sowieso am meisten aufhielten, die Lagerräume und andere Räume, die aber nicht ganz so wichtig für uns waren.
Nach dem Rundgang wurde auch gleich schon wieder für neue Aufregung gesorgt, die Feuerübung stand an. Also mussten wir wohl oder übel alle unsere quietschorangenen Rettungswesten vom Haken am Bett nehmen und uns mit den Dingern an Deck begeben. Wir denken, wir dürfen für alle Beteiligten sprechen, wenn wir sagen, dass wir uns doch etwas seltsam in den dicken Westen vorkamen, wenn man bedenkt, dass wir zu dem Zeitpunkt immer noch angebunden am Kai lagen und einige Passanten uns wohl ziemlich spannend fanden…
Noch spannender für sie wurde es, als wir dann lernen und üben mussten, wie man an den verschiedenen Tampen (nicht Seilen!!!) zieht, um zum Beispiel Segel zu hissen oder zu brassen, immer noch ohne uns einen Meter bewegt zu haben wohl gemerkt. Aber man hörte auf dem ganzen Schiff immer wieder jemanden „Hol weg!“ rufen, denn dies war der Befehl mit dem gemeinschaftlich im Takt an den Tampen gezogen wurde.
Aber es sollte dann doch schnell genug gehen, dass wir uns zum ersten Mal in Bewegung setzten. Nun hieß es bis bald Travemünde und Ahoi fünf Tage auf hoher See, ohne auch nur einen Fuß auf Land zu setzen. Ich weiß nicht, ob einige vielleicht zu diesem Zeitpunkt schon wieder von Bord gegangen wären, wenn sie gewusst hätten, was ihnen im Laufe der Woche alles blühen würde…
Als wir gerade aus der Bucht hinausgefahren waren (noch nicht gesegelt, sondern erst mal mit Hilfe des Motors) und den aufgeregten Eltern und dem Fotografen der Lübecker Nachrichten ein letztes Mal gewinkt hatten, hielten wir auch schon wieder an und blieben dort in etwas Entfernung zur Lübecker Bucht für weitere Stunden. Wir wissen nicht mehr genau, wann wir dann wirklich losgefahren sind, denn wir hatten Flaute, also kaum Wind und das Tempo war kein sehr großer Unterschied zum Stehen, jedoch wurde uns nach einiger Zeit gesagt, wir würden uns mit einer Geschwindigkeit von ca. 1,3 Knoten bewegen… also ungefähr so schnell, wie wenn man ganz ganz langsam geht. Im Laufe der Nacht und des nächsten Tages wurden wir zwar etwas schneller aber schipperten trotzdem schön ohne viel Wellengang über die Ostsee. Die Geschwindigkeit und die Wetterlage war aber ganz gut abgestimmt auf unsere Fähigkeiten, denn in den ersten Wachen musste sich jeder von uns erst mal auf dem Schiff zurechtfinden und an die vielen Kommandos wie „An die Geitaue und Gordinge…!“ gewöhnen. Und es gab nicht wenige, die auch in den Träumen noch von diesen Rufen verfolgt wurden. Doch nach einiger Zeit wusste man ungefähr, wann man wohin muss und was zu tun ist. Und uns zumindest hat die Arbeit an Deck sehr viel Spaß gemacht, außer wenn es am Ende jeder Schicht hieß „Alle Mann klar Deck!“ also alles aufgeräumt wurde. Danach kam dann aber auch immer die Wachablösung, bei der man doch sehr erschöpft der nächsten Wache gegenüberstand. Man wurde mit „Gude Ruh!“ verabschiedet, aber erst nachdem man der anderen Wache ein elanvolles „Gude Wach!“ gewünscht hatte.
Die „Ruh“ konnten wir nach der Arbeit auch dringend gebrauchen und so schliefen die meisten zwischen den Malzeiten, bzw. verschliefen selbst diese. Das machte aber nichts, da neben dem regulären Essen zu jeder Tages- und Nachtzeit Brot, Obst und Zwieback zur Verfügung standen.
In den ersten Tagen war es sehr schwer, sich an den neuen Schlafrhythmus zu gewöhnen und man sah immer sehr viele müde Gesichter auf den Gängen und in der Messe. Wenn man zum Beispiel für die 4-8 Wache eingeteilt war, musste man um halb vier Uhr nachts aufstehen um völlig schläfrig auf das Deck zu torkeln, wo dann auch noch die schwungvolle Wachübergabe von einem verlangt wurde. Nach der Übergabe gab es meistens noch eine kleine Verschnaufpause, denn es wurden ja nicht die ganze Zeit Tampen gerissen oder Vergleichbares, sondern einen Großteil der Zeit saß man einfach auf dem Achterdeck, also ganz hinten und hat sich unterhalten. Außer man hatte Ausguck oder war der Rudergänger. Beim Ausguck musste man sich je eine Stunde nach ganz vorne auf das Vorderdeck stellen und beobachten, ob sich irgendwelche neuen Schiffe oder Landteile zeigten. Falls dies der Fall war, musste man einmal über das gesamte Schiff hin zu dem Steuermann gehen. Vor allem bei Nacht war das eine komplizierte Aufgabe, denn nachts waren keine Taschenlampen erlaubt, da die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen sollten, damit alle bei Manövern auch im Dunkeln arbeiten können. Allerdings war es nicht selten, dass auf dem ganzen Schiff verstreut irgendwelche Menschen lagen, über die man stolperte. Wenn man als Rudergänger eingeteilt war, musste man, ebenfalls eine Stunde, das Schiff steuern. Das hieß man musste die ganze Zeit den vorgeschriebenem Kurs halten oder ihn gegebenenfalls ändern. Während der Wachen, vor allem in der Nacht war es sehr kalt, weswegen man häufig mit einem „Es ist so kalt draußen, zieh bloß alles an, was du hast!“ von der Vorgängerwache geweckt wurde.
Nach einiger Zeit gewöhnten die meisten von uns sich an den neuen Tagesablauf und die neuen Schlafzeiten. Die Gesichter, die einem auf den Fluren begegneten, wurden jedoch nicht unbedingt besser… im Gegenteil, man konnte wirklich das Gefühl haben, sie würden immer schlechter werden. Denn nach und nach nahmen wir an Fahrt zu und die Wellen wurden höher, das Schiff begann zu schwanken und sich in Schräglage zu setzen. Folglich wurden fast alle seekrank und das Achterdeck immer voller. Dort baute sich allmählich ein Krankenlager auf, in dem sich immer mehr Gestalten mit bleichen Gesichtern sammelten, denn nur einige Ausnahmen wurden von der Seekrankheit verschont. Die beste Medizin, außer der Reisekaugummis, mit denen von nun an verhandelt wurde, war nun mal draußen an der frischen Luft zu sitzen und stundenlang auf den Horizont und das Wasser zu starren oder in der Koje zu schlafen. Das mit dem Schlafen wurde aber auch immer schwieriger, denn durch die Schräglage des Schiffes rollte man in dem Bett immer hin und her. Auch das Duschen wurde zur Meisterleistung und danach stand immer das ganze Badezimmer unter Wasser. Ebenfalls beispielsweise beim Einschenken oder einfach beim Laufen durch die Flure wurde man an das Schwerkraftgesetz erinnert, wenn man in jede Einbuchtung hineinstolperte und Mühe hatte dort wieder rauszukommen. Auch die Türen waren in dieser Zeit ein Problem, denn entweder gingen sie gar nicht auf und zu, weil man einige Minuten gegen die Gravitation ankämpfen musste, oder aber viel zu schnell, woran einige Köpfe und Finger leiden mussten. Zu einigen Wachen konnten während der Seekrankheitswelle zum Beispiel nur drei Leute kommen, denen es einigermaßen gut ging, und es kam auch vor, dass ein All-Hands-Manöver aus gerademal sechs Personen bestand.
Aber den meisten von uns ging es nicht die ganze Zeit schlecht und wir hatten sehr viele lustige und schöne Momente an Bord. Die Abende zum Beispiel haben uns besonders Spaß gebracht, denn da Handys an Bord nicht funktionierten und es leider auch kein verfügbares W-LAN-Netz gab, wurden die Gitarren und eine Ukulele rausgeholt und es wurde gesungen oder einfach nur geredet. So haben wir als Klasse viel mehr miteinander gemacht und uns besser kennengelernt.
Auch die Wachen haben viel Spaß gemacht, denn trotz der Anstrengung und der Kälte wurden sich immer wieder Möglichkeiten überlegt, die Arbeit leichter zu machen. Eine Wache zum Beispiel zog die Tampen irgendwann nicht mehr mit dem gewohnten Ruf „Hol weg!“ sondern stattdessen mit „Grün-Kohl!“
Wir hatten bestimmt alle eine unvergessliche Woche mit viel Spaß und tollen Eindrücken und wir denken, dass jeder etwas von dieser Reise mitnimmt, doch genauso gehen wir auch davon aus, dass jeder froh war nach der Woche wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, auch wenn dieser bei den meisten noch ein paar Stunden mitgeschwankt hat. Doch zumindest auf das eigene Bett hat sich wohl jeder gefreut.
Alisa Anders und Miriam Levke Alheid 10c
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